01 Mai 2010

Up And Away


Klein Gustav wurde von Mutter oft und gerne in irgendwelche Thermalbäder mitgenommen. Ohne Rutschbahn, Planschbecken und Sprungbrett blieb ihm nix anderes übrig, als verträumt verliebte Paare zu beobachten, die sich eng umschlungen zwischen Massagedüsen gegenseitig die Ohren ab zu beissen schienen. Später stellte Gustav fest, dass da unter der Wasseroberfläche noch einiges mehr lief als oben bei den Ohren, und er dachte, knapp beeindruckt, dass Thermalbäder wohl die stimulierensten Orte der Welt sein müssen. Das Vorspiel par excellence. Doch Klein Gustav lag falsch.

Ehhrm. Sorry – can you please not close the gate yet, I am still waiting for two guys..
Why? Is one not enough?

Nicht im warmen Nass irgendwelcher Fusspilzplantagen, sondern im Tumult an den Toren zum Himmel, an Flughäfen, beobachtet Gustav heute paarungsscharfe Menschen. Wenn Thermalbäder das perfekte Vorspiel sind, dann ist die Welt des Fliegens der Kreislauf einer ganzen Beziehung. Wer landet bei wem?
Ein neues Date ist wie Check-In. Jeder bringt einen Koffer mit, mal schwer, mal leer.

Your suitcase is too heavy – I have to charge you for the additional five kilos.
Ehhrm. Sorry but last time it was ok like this.
So do you want me to charge you for ten?

Flirten ist fliegen, nicht umsonst schwebt man bekanntlich verliebt über irgendeiner Wolke Sieben. Ob Schmetterlinge oder wie bei Herbert Grönemeyer Flugzeuge im Bauch, das Ding muss fliegen, der Boden muss unter den Füssen weggerissen werden. Liebe ist unter den menschlichen Gefühlen der freie Fall. Runter kommt man immer, sagt der Volksmund und klopft sich munter den Schenkel. Beim Fliegen sowieso, und irgendwie auch beim Lieben. Um beim Thema zu bleiben: jahrelang als beste Airline der Welt ausgezeichnet, kam auch die Swissair runter, zweimal sogar: einmal in Halifax, einmal für immer.

Ehhrm. Sorry – I am scared of flying, can I have a window seat please..
Why? Do you want to see the ground when you crash?

In sämtlichen Formen und Variationen ist Fliegen immer Fliegen. Als Springer über Klippen in Sisikon, als Propellermaschinenpilot zwischen aufgeblasenen Gates in Abu Dhabi, in selbstgebauten Fluggeräten über Rampen in Tel Aviv, mit Motocross-Maschinen in spanischen Stierkampfarenen oder über einen Kanal in Korinth. Fliegen ist Fliegen.

Fliegen ist Adrenalin. Schweissproduktion, Gänsehaut und Pupillenerweiterung, ein in Stresssituationen ins Blut ausgeschüttetes Hormon. Den letzten Zentimeter Plattform unter dem linken kleinen Zehen wegdrücken, 26 Meter über der Wasseroberfläche, drei Sekunden lang Fall bei Tempo 90. Fliegen ist Turbulenzen, wie Schwiegermütter unangenehm aber unumgänglich, auf 10 Tausend Meter Höhe, stundenlang, jeden Finger Millimeter tief ins Polster der Armlehne krallen.


Ehhrm. Sorry – do you work here?
Nein. Nein, natürlich nicht. Ich renn einfach so in der Uniform der nationalen Fluggesellschaft durch den Flughafen.

Kleider machen Leute. Uniformen machen Fluggesellschaften. Ein passender Dress ist ein halbes Rendez-Vouz. Zurück zu Gustav, wo weniger Stoff mehr interessiert. Abflug, Höhenflug, Landung. Vorspiel, Hauptakt, Höhepunkt. Fliegen scheint die menschliche Handlung per se, welche Sex ist, ohne intim zu werden. Heisst ja schliesslich beides Verkehr, denkt Gustav.
Die neue Luxusklasse der Singapore Airlines im Airbus 380 wirbt mit privaten Kabäuschen für verträumt verliebte Fliegende. Sex ist ausdrücklich verboten, und Gustav fragt sich, ob der Flirt über den Wolken wirklich besser klappt als früher unter Wasser.

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