11 Februar 2010

Von Maria und Yusuf


Der Vater. Mehmet. So sah er auch aus. Die Mutter. Annerose nannte sie sich später, getauft war sie auf Annerös, wenn nicht sogar Annerösli. Und sie kam von genau dort wo Frauen so heissen. Oder hiessen. Heute überleben binationale, bikulturelle und bireligiöse Ehen vielleicht eher als vor 30 Jahren. Vielleicht auch nicht. Die Scheidungsrate steigt ja bekanntlich kontinuierlich. Mehmet und Annerose schafften es knapp drei Jahre.
Was vom anatolisch-helvetischen Scherbenhaufen übrig blieb war Hasan Peter. Später nur noch Peter. Annerose schnitt ihm den Hasan in der 2. Klasse ab. Dafür durfte er seine Vorhaut behalten. Für den einzigen Sohn eines türkischen Einwanderers auch nicht ganz selbstverständlich. Mehmet nannte Peter weiterhin Hasan, und Gott hiess beim Vater immer Allah. Trotz Sonntagsschule, Bibelstunde, Kirchenbesuch, Religionsunterricht und der täglichen Lektüre im alten wie im neuen Testament mit der bestimmten und besinnten Mutter war für Peter früh klar, dass Jesus nicht Allah war, und dass das gut so war. Irgendwann war es ihm dann egal. Nicht egal war Hasan das Grounding der Swissair 2001. Die Turkish Airlines schien keine attraktive Alternative.
Turbulenzen ganz anderer Art schüttelten Hasan Peter fünf Jahre später kräftig durch. Die Fussballwelt stand nicht Kopf sondern Faust. Als die türkische Nationalmannschaft in Istanbul noch schlechter verlieren konnten als Schweizer Manager Fluggesellschaften retten. Und wieder ein halbes Jahrzehnt später wunderte sich der Sohn von Mehmet und Annerösli warum nun weder die Flieger der einst besten Airline der Welt noch die schmucken Türme der türkischen sprich islamischen Moscheen gen Himmel schiessen durften. Sein Herz schlug mal Fondue, mal Kebab. Für welches Team er spielte wusste er meistens selber nicht.
Im Kafischnaps am Rande des Zürcher Kreis 6 erklärte ihm eine Zwanzigjährige ihr Ja zu besagter Initiative. Sie schien vergessen zu haben dass ihre Mutter Italienerin ist. Und der Vater Schweizer. Von James Schwarzenbach hatte sie nie etwas gehört. Der kranke Mann schien nicht mehr am Bosporus zu sitzen, sondern am Zürisee. Hasan dünkte das politisch und ironisch surreal. Er hatte genug gehört. Peter auch. Kafiraki, so müsste man mal eine Bar nennen.
Mit Schweizer Musik im Ohr und der italienischen Diesel Jeans - Made in Turkey - am Arsch stampft Peter durch den Irchelpark. Ohne zu wissen, dass dieser quasi die Grenze bildet zwischen Oberstrass und Unterstrass. Beide Quartiere 1893 in die Stadt eingemeindet und 1913 zum Kreis 6 umnummeriert. Geteilt vereint. Alle drei. Hasan. Peter. Und der Kreis 6.
Irgendwo über den Wolken fliegt ein Swiss International Maschine und irgendwo ruft ein Muezzin zum Gebet.

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